Vom "Allerweltshaus" zum Jurahaus
(Vom Sinneswandel eines Bauherrn) 

Der übliche Ablauf einer Planung für einen Wohnhaus - Neubau sieht heute so aus, daß der Bauherr Kataloge von Fertighausfirmen, Zeitschriften der Bausparkassen und vielleicht noch Eingabepläne von interessanten Häusern aus dem Bekannten - oder Verwandtenkreis als Grundlage für die eigene Planung sammelt und daraus den ersten Entwurf erstellt. Zusammen mit der Raumaufteilung im Inneren wird dann ein Umriß des neuen Hauses "zurechtgeschneidert". Liegt für das Baugebiet des neuen Objekts ein Bebauungsplan vor, so wird der Entwurf vielleicht noch auf Verträglichkeit mit den Vorgaben geprüft und danach ein möglichst kostengünstiger "Planzeichner" zur Vorlage beim Kreis - bzw.Stadtbaumeister gesucht. 

Ähnlich lief die erste Planungsphase auch bei mir Mitte 1984 ab. Nach mehreren vergeblichen Versuchen, einen Rohbau bzw. ein älteres Haus zur Renovierung käuflich zu erwerben, entschloß ich mich, einen Neubau für die damals fünfköpfige Familie in Angriff zu nehmen. Für ein schwieriges Hanggrundstück mit ca. acht Meter Terassenbreite entstand ein Entwurf, der durch die talseitige Giebellage und der zweigeschossigen Bauweise fast turmartigen Charakter hatte. Verstärkt wurde dieses Erscheinungsbild durch den völlig sichtbaren Keller, der durch ein Bruchstein-Verblendmauerwerk kaschiert werden sollte. Ebenso unstimmig war die Lösung mit dem Schleppdach für die Anbauten auf der Nordostseite. Zum bereits geplanten Pfettenvordach fehlte nur noch der talseitige Balkon und ein typisches "Allerweltshaus", wie sie landauf - landab zu sehen sind, wäre entstanden. 


In dieser Unzufriedenheit mit den Skizzen und Plänen erinnerte ich mich an ein Angebot des Architekten Josef Elfinger, das er mir 1980 machte, als ich für seine Ausstellung "Das Altmühl - Jurahaus" Fotos alter Häuser aus Böhming sammelte. Mit den eigenen Entwürfen und Zeichnungen kreuzte ich dann Anfang 1985 im Büro auf, wo Elfinger mir als erstes sagte, daß er zwischenzeitlich schon im Ruhestand sei, aber ein würdiger Nachfolger - Architekt Peter Braun -würde mir bestimmt auch eine gute Planung machen. Nach knapp zwei Wochen wurden die ersten Skizzen zusammen mit Josef Elfinger besprochen. Die vorgelegten "Häuser" wichen von den eigenen Entwürfen nur geringfügig ab, besaßen aber einen harmonischen und einheitlichen Gesamteindruck und waren alle durch ihre Schlichtheit bestechend schön. 

Ein Entwurf hob sich durch Putzbänder an den Ecken und durch den fehlenden Dachvorsprung besonders hervor. Zusätzlich war die Giebelfront symmetrisch gestaltet und mit relativ flacher Dachneigung. Die Fenster wurden sowohl in der Größe als auch in der Anordnung von Peter Braun nach dem Prinzip des "goldenen Schnittes" ausgelegt und positioniert. Der Anbau an der Nordost-Seite wurde vom Haupthaus abgesetzt und bekam ein eigenes Pultdach, wodurch es eigenständig und dominant in der Erscheinung wurde. 

Diese Stilelemente findet man auch in der traditionellen Bauweise des "Altmühl - Jurahauses" und wurden von Peter Braun in den Skizzen einfühlsam umgesetzt. Nach eingehender Diskussion für und wider diesen Jurahaus - Entwurfs wurde die weitere Planung auf dieser Basis ausgeführt. 

Nach Fertigstellung des Eingabeplanes und der erforderlichen Befreiung aus dem Bebauungsplan- die Bauzone mußte verlassen werden, damit die Baulücke vom Tal aus gesehen mittig geschlossen werden konnte- wurde die Genehmigung von der zuständigen Bauabteilung am Landratsamt Eichstätt abgelehnt. 

In einem persönlichen Gespräch zwischen dem damaligen Kreisbaumeister H. Erl, dem Baurat z.A. Anton Immler und Architekt Peter Braun konnten die Bedenken bezüglich der Abweichung vom Bebauungsplan (zwei Vollgeschoße), der nahen Lage zum Baudenkmal"Römerkastell Pfünz" und der Vorbehalte gegenüber der Jurahaus - Bauweise, die im vorhandenen Gebäudebestand einen Fremdkörper darstellen würde, ausgeräumt werden. 

Ein Ausspruch vom Kreisbaumeister Erl blieb mir aber bis heute im Gedächtnis: "Dieses Haus kann überall gebaut werden, im Altmühltal aber nicht!" Worauf Baurat z.A. Anton Immler einlenkte:" Ich würde das Haus dennoch bauen lassen, um zu sehen, welche Diskussion darüber entsteht." 

Mit der Auflage, das sichtbare Kellergeschoß zu Begrünen und so die hohe Giebelfront talseitig etwas zu "drücken", wurde dem Bauvorhaben zugestimmt. Auch die graue Dacheindeckung mit Tegalit wurde akzeptiert, da nach Aussage von Peter Braun der naturfarbene Betonstein zum ursprünglichen, silberfarbenen Legschieferdach eine zeitgemäße Alternative darstellt. 

Die darauffolgende Detail - und Werkplanung wurde konsequent an den traditionellen Elementen und Werkstoffen ausgerichtet und gleichzeitig die Grundsätze der "Baubiologie" bzw. Ökologie verwirklicht. So wurden die Außenwände mit 50 Zentimeter Ziegelmauerwerk und Drei-Lagen-Kalkputz für innen und außen ausgeführt. Die Fensterlaibungen wurdcn leicht konisch gestaltet, um die Lichtausbeute zu verbessern. Dem Vorurteil der fehlenden Helligkeit in den Wohnräumen durch zu kleine Fensteröffnung begegnete ich mit meinen kalkgetünchten Innenwänden. (Im Übrigen nützt ein drei Meter breites Südflächenfenster herzlich wenig, wenn neun Meter "Raffstore" den Lichtgewinn wieder zunichte machen was heute noch übliche "Bungalow-Praxis" ist.). Gleichzeitig konnte durch die Massivbauweise der Wärmedämmwert der Außenwände auf zukünftige Anforderungen durch die Wärmeschutzverordnung eingestellt werden. Die Geschoßdecken wurden als Ziegelrippendecken bzw. Holzbalkendecken ausgeführt und so konnte mit den sichtbaren Holzbalken und den kalkgeputzten Umfassungswänden der Innenräume ein gesundes Wohnklima geschaffen werden. 

Den Wärmebedarf des gesamten Wohnhauses deckt eine Zentralheizung mit 14 KW Leistung ab. Die Wärmeabgabe in den einzelnen Räumen wird über Fußleistenheizkörper gesichert, die entlang der Außenwände diese erwärmen, um dann durch Wärmestrahlung den Raum zu heizen. Dadurch kann die Oberflächentemperatur der Raumumschließungs-wände innerhalb der Toleranzgrenze von vier Grad Abweichung zur Raumtemperatur gehalten werden, was wiederum Grundvoraussetzung für ein behagliches Wohnklima ist. 

In der Wohnstube ist ein Kachel - Grundofen installiert, der ebenfalls 60 Prozent seiner Wärme über Strahlung abgibt und dadurch auch den Wärmehaushalt des menschlichen Körpers am nähesten kommt. Nach fast 15 Jahren Wohnen in unserem "modernen"Jurahaus haben sich die theoretischen Überlegungen in der Praxis bestätigt. 

Der Heizölbedarf pro Jahr für Warmwasser und Heizung beträgt für die siebenköpfige Familie etwa. 2500 Liter. Dazu kommen rund vier Festmeter Brennholz für den Grundofen. 

Die 50 cm Hochlochziegelmauer der Außenwände hat nicht nur den k-Wert positiv beeinflußt, sondern wirkt sich besonders bei Witterungsumschwüngen dämpfend auf das Raumklima im Innern aus. Grund dafür ist die hohe Speicherfähigkeit der Ziegel. 

Was das äußere Erscheinungsbild des Hauses betrifft, so hat sich die Vermutung des damaligen Kreisrats z.A. Anton Immler bestätigt. Der Bau hebt sich zum einen durch die exponierte Hanglage und zum anderen durch die Jurahaus-Bauweise vom Umfeld ab und bewegt immer wieder andere Bauwillige dazu, um eine Hausbesichtigung bzw. Auskunft über die Bauweise anzufragen. 

Manchmal entsteht daraus sogar ein weiteres neues Haus im traditionellen Stil der Jurahäuser -nicht zuletzt dank der offenen Haltung der Genehmigungsbehörden-. 

Allzu häufig aber bleibt es beim uniformen Jodlerhaus Stil. Sanierte alte Jurahäuser wie auch neue Jurahäuser werden leider auch künftig die Ausnahme im Altmühljura sein. 



Text: Günther Böhm, Bergweg 3, 85137 Pfünz 
Quelle: Das Jura Haus 1995 Nr. 1 

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