Dann können wir gleich alles freigeben! 

Daß mit der Genehmigung des Jurahauses die Altmannsteiner Markträte im wahrsten Sinne des Wortes eine "richtungsweisende Entscheidung" getroffen haben, erfährt der Besucher von Familie Giersig in Steinsdorf, wenn er sich von Viehhausen kommend in westlicher Richtung dem Ort nähert. Fast unübersehbar hebt sich die fertig geputzte und mit leicht rosafarbenen Putzbändern versehene Ostfassade des Hauses "Am Sand 22" aus dem Allerweltsbrei der restlichen Neubauten ab und zeigt so die Fahrtrichtung an. Gerade an diesem Beispiel wird eine frühere Forderung des Landratsamtes, "die Haustypen sollen sich unaufdringlich einfügen", deutlich widerlegt .Ein neues Jurahaus wie dieses besticht gerade durch seine Einfachheit und sein harmonisches Äußeres und zieht dadurch zwangsläufig die Blicke auf sich. Der Vorwurf: "Manche Bauherren und Architekten wollen ihr Haus herausheben", trifft mit Sicherheit nicht auf Jurahäuser zu, da modisches Zierat wie Erker, Gauben und auffällige Balkone gänzlich fehlen, während am uniformen Baustil der letzten zwanzig Jahre exakt diese Bauelemente vorherrschen und nun als entartete Stilmaßstäbe vorgegeben werden. 

Die konsequente Umsetzung von wesentlichen Gestaltungsmerkmalen eines Jurahauses beginnt am Haus der Familie Giersig bereits mit dem Grundriß. Das 9,50 Meter mal 10,70 Meter große Gebäude steht mit seinem First in Ost-West- Richtung und lädt mit seiner einfachen Haustüre im Westgiebel den Besucher förmlich ein. Die Grundrißeinteilung kommt einem früher üblichen, längs erschlossenem Wohnstallhaus nahe, das Erich Wieser 1975 in seinem Aufsatz: "Grundrißwandlungen des Bauernhauses" beschrieb. Im Obergeschoß, das mit einem Kniestock von ca. zwei Meter die Schlafräume ohne störende Dachschrägen beherbergt, erzählte Herr Giersig von der "Sondergenehmigung des Kniestockes im Rahmen eines Jurahauses", während der Bebauungsplan nur eingeschossige Bauten erlaubt. Die größte Hürde für den Bauplan war im Dezember 1995 die grundsätzliche Genehmigung im Bauausschuß der Gemeinde Altmannstein, wo zunächst seitens der Ratsmitglieder bemerkt wurde, "daß dieser Stil mit den Maßen mehr in den Ortskern als in das Siedlungsgebiet passe". Die Kehrtwendung kam dann im Januar 1996 prompt vom Landratsamt, das dem "Projekt positiv gegenüberstand" und zur nochmaligen Behandlung in den Marktrat verwies. Dort wurde nach kontroverser Diskussion und Verweis auf zwei ähnliche Häuser mit elf zu vier Stimmen das Vorhaben abschließend genehmigt. 

Was beim weiteren Gang durch die Räume nachhaltig auffiel, war die eigentümliche Wärme, die naturbelassene Kalksteinböden im Gang, unbehandelte Dielenböden in den Wohn- und Schlafräumen und nicht zuletzt mit Sumpfkalk gestrichene Wände ausstrahlen. Erst auf den zweiten Blick fielen die unterschiedlichen Türhöhen auf und mit der Bemerkung:" Das sind alles Türen aus Abrißhäuser", verwies der Bauherr auf meist erfolglose Rettungsaktionen aus alten Jurahöfen . Den Aufwand für die neuen Stöcke, die Restaurierung aller erforderlichen Kastenschlösser, Türkegel, Bänder und teilweise kunstvoll geformten Schlüsseln konnten wir erahnen, als eine Kiste mit "Ersatzmaterial" zu sehen bekamen und die "Schätze" noch unter Rost oder dicken Lackschichten verborgen waren. Nicht ohne Stolz führte Herr Giersig einen restaurierten Verschlußmechanismus an einem Fenster vor und verwies dabei auf die Vorteile des Segmentbogens und der schrägen Leibungen für eine optimale Lichtausbeute. Ähnlich wie die Beschläge für alle Fenster und Türen wurde auch der Kalksteinboden im Flur "recycled" und beim Verlegen der Platten sogar darauf geachtet, daß die Randsteine mit weniger Abnützungsspuren wieder im Flurrand eingesetzt wurden. 

Wie die biblische Geschichte über die Bekehrung des Saulus zum Paulus hört sich der Gesinnungswandel von Herrn Giersig bezüglich des Heizsystems an. Als nämlich die Projektierung und Vergabe der Heizanlage anstand, fiel ihm ein Buch von Alfred Eisenschink in die Hände mit dem Titel:" Falsch geheizt ist halb gestorben"! Darin, so erzählte der Bauherr, war u. a. die Bezeichnung "Staubschleuder" für eine Radiatorenheizung mit ausschlaggebend für einen kompletten Umschmiß des Heizsystems. Dies wurde so grundlegend vollzogen, daß sogar die bereits im Mauerwerk vorhandenen Heizkörpernischen vollkommen wieder zugemauert wurden und mit einem befreundeten Heizungsfachmann eine grundlegend neue "Wandheizung" entstand. Die wesentlichen Bauteile wie zum Beispiel den zentralen Verteiler und die zwölf Millimeter dicken Kunststoffrohre übernahmen die beiden von einer gewöhnlichen Fußbodenheizung , verlegten die Heizkreisläufe aber nicht im Boden, sondern in Schlangenlinien an den Außenwänden. 

Als allerdings die Putzkolonne im nächsten Bauabschnitt den inneren Kalk-Gipsputz aufbringen sollte, bemerkte der Polier beim Anblick der "Kunststoffschlangen" abfällig: "Diese Wände verputzen wir nicht ", drehte sich auf dem Absatz um und wollte wieder gehen. Erst als er keinerlei Gewährleistung für etwaige Risse an den Heizwänden übernehmen mußte, konnte die erste Putzlage bündig mit den Rohren aufgetragen werden. Anschließend während des ganzen folgenden Wochenendes lief die Heizanlage mit Vollast laufen, wodurch es möglich war, die Wärmedehnung der gekrümmten Heizrohre im noch feuchten Putz ausgleichen zu können. Die einwandfreie Wärmeabgabe und die immer noch rißfreien Wände bestätigen die Richtigkeit der Arbeitsschritte und des Aufbaues. Damit ist aber vor allem für das Wohnklima und die Behaglichkeit in den Räumen eine wichtige Voraussetzung geschaffen worden, da mit diesem Heizsystem, welches die Raumumfassungswände, vorteilhaft die Außenwände, nie mehr als vier Grad unter die Raumlufttemperatur abkühlen läßt, nicht das Gefühl von Zugigkeit entstehen kann. Die Folge davon sind niedrigere Lufttemperaturen und damit eine Energieeinsparmöglichkeit. 

Entscheidend verbessert wurde der Wärmehaushalt, indem die Dämmwerte der 49er Ziegelwand, der Putzschichten innen und außen, der Geschoßdecken und der Fenster so gewählt wurden, daß der Nachweis für ein Niedrigenergiehaus mit 25% iger Unterschreitung der Wärmeschutzverordnung von 1995 nachgewiesen werden konnte. Im Vergleich zum heute üblichen Hausbestand mit 22 bis 27 Liter Heizöl pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr liegt das Steinsdorfer Haus mit acht Liter weit unter den zulässigen Verbräuchen. Zur Ergänzung der Heizanlage wurde im Wohnzimmer ein kleiner Kanonenofen mit Holzfeuerung aufgestellt und auf dem Dach eine Solar-Kollektorfläche für die Brauchwassererwärmung installiert. 
Die notwendigen Holzvorräte hat der Bauherr zur Zeit zwar noch im Garten aufgeschichtet, wo auch schon die Rohlinge für den Hanichelzaun rund um das Haus vorbereitet liegen, ein Holzschuppen ist aber schon in Planung. Die Zisterne zur Regenwassernutzung bestätigt den ökologischen Grundgedanken der Bauleute neben der beispielhaften Einstellung zur Jurahausbauweise, die allen Hemmnissen zum Trotz, konsequent umgesetzt wurde. 

Quelle: Das Jura Haus 1998/99 Nr. 4




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